Direkt zum Inhalt
Werkzeugmaschinen 25. April 2024

Komplexe Teile automatisiert komplettbearbeiten

Falser Maschinenbau realisiert automatisierte 6-Seiten-Bearbeitung mit einem HF5500 von Heller, Automation von STS und Spanntechnik von Gressel.  

Artikel Autor
Für die automatisierte, mannlose 6-Seiten-Bearbeitung von Bauteilen arbeitet Falser Maschinenbau mit einem 5-Achs-BAZ HF 5500 von Heller samt Rundspeicher- und Roboterautomation von STS sowie R-C2-Werkstückautomation von Gressel.
Für die automatisierte, mannlose 6-Seiten-Bearbeitung von Bauteilen arbeitet Falser Maschinenbau mit einem 5-Achs-BAZ HF 5500 von Heller samt Rundspeicher- und Roboterautomation von STS sowie R-C2-Werkstückautomation von Gressel.

Falser Maschinenbau aus Auer in Südtirol versteht sich als 360°-Systemlieferant, der hochwertige Bauteile und komplette Maschinenbaugruppen fertigt. Kürzlich hat das Unternehmen ein 5-Achs-Fräs-Dreh-Zentrum HF 5500 von Heller mit Rundspeicher- und Roboterautomation von STS, ausgestattet mit R-C2-Spanntechnik von Gressel, in Betrieb genommen. Seither werden Serien und Einzelteile mannlos komplettbearbeitet.

Südtirol ist wie Deutschland, Österreich und die Schweiz ein absolutes Hochlohnland. Aufgrund ihrer Historie verfügt die Region obendrein über vergleichsweise wenig Facharbeiter in der Zerspanung. So muss ein Betrieb mit Sitz nahe Bozen schon ein belastbares Geschäftsmodell besitzen, will er etwa gegen den nur 30, 40 km weiter südlich ansässigen Wettbewerb bestehen, der um bis zu 20 % günstiger ist. Effizienz und Fachkräftemangel waren denn auch erste Gründe, weshalb Andreas Falser vor mittlerweile vier Jahren das erste Mal über die automatisierte Fertigung in seinem Betrieb nachdachte.

Mehr als nur Standardmaschinenbau

Gegründet wurde Falser Maschinenbau 1967 von Gottfried Falser und seiner Frau als Familienbetrieb, der dann bis 2010 als Instandhaltungs- und Zulieferbetrieb sowie Reparaturwerkstatt für größere Unternehmen geführt wurde. Nach ständiger Weiterentwicklung in der Vorrichtungs- und Baugruppenfertigung sowie der Produktentwicklung und Herstellung von Eigenprodukten für den Landwirtschafts- und Holzsektor trat Sohn Andreas Falser nach Abschluss der Fachschule Maschinen- und Werkzeugbau 2006 in den Betrieb ein. Sein Credo: „Wenn ich die Firma einmal übernehme, mache ich daraus einen Vorzeigebetrieb.“ Dazu sollte mehr als nur Standardmaschinenbau gehören. 2010 wurde die Gesellschaftsform in Falser KG geändert, Andreas und seine Mutter Johanna übernahmen von nun an die Geschicke des Unternehmens mit elf Mitarbeitern. Um auch den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, wurde 2018 zusätzlich die Falser Maschinenbau GmbH gegründet – mit weiteren 45 Mitarbeitern sowie der Erweiterung mit Automation und Serienmontagen. „Um uns von anderen zu differenzieren und an unserem Standort konkurrenzfähig zu bleiben, entschieden wir uns, unseren Kunden hochwertigere Produkte, mehr Wertschöpfung und eine Komplettpacket ,Alles aus einer Hand‘ zu bieten“, sagt Andreas Falser. „Dafür haben wir den Maschinenpark kontinuierlich erweitert und strategische Bereiche wie Schweißerei und Montage integriert. Inzwischen liefern wir nicht nur Zerspanungs- und Schweißteile, sondern das komplette Sortiment von Blech-, Dreh-, Fräs- und Schweißbaugruppen sowie komplett verkabelte Baugruppen an. Damit sehen wir uns als Generalunternehmer im Maschinenbau und strategischen Partner für unsere Kunden.“

Automatisierung als Antwort auf viele Fragen

Anzeige

In diesem Leistungsspektrum erwies sich die Zerspanung der letzten Jahre als der Flaschenhals. „Sie bremste uns und war nicht kalkulierbar, sodass zeitliche Verzögerungen auftraten und die Einhaltung der Qualität sehr aufwendig war.“ Zu beantworten waren die Fragen, „wie wir die Qualität erhöhen, den Durchlauf verbessern, die Logistik verringern und die Lieferzeiten präzise kalkulieren können.“ Hinzu kam der besagte Fachkräftemangel. „Anders als früher konnten wir keine Schichten mehr fahren. Denn Fachkräfte, die bereit sind, dreischichtig zu arbeiten, sind kaum mehr zu finden. Umso wichtiger war es, den Arbeitsplatz unserer Mitarbeiter ergonomischer und stressfreier zu gestalten.“ Die Antwort auf all diese Fragen lag auf der Hand: Es sollte automatisiert und mannlos schneller gefertigt werden. Dabei musste die automatisierte Anlage einen Großteil des Portfolios handeln und zusätzliche Bearbeitungsschritte abdecken können. „Außerdem wollten wir auf Puffer zwischen den Bearbeitungen verzichten und die Rüstzeiten verkürzen.“ Wie das realisiert werden konnte, wurde nun intensiv geprüft. Ein Gesamtkonzept war gefragt. So führte an einem Fräs-Dreh-Zentrum schon bald kein Weg vorbei. Doch mit diesem Baustein allein ließen sich die Anforderungen nicht umsetzen. Eine Automation per Palettenwechsel sollte in das Konzept einfließen. Doch wie ließ sich über die Werkstückspannung eine mannlose Fertigung verwirklichen? Zumal das Teilespektrum in Auer von kubischen Teilen bis hin zu Platten sehr vielfältig ist und bis zu 100 kg schwere Aluminium- und Stahlteile auf die Anlage kommen sollten. Ab 2018/2019, als erste Gespräche mit Heller, STS und Gressel starteten, wuchs dann Schritt für Schritt das maßgeschneiderte Konzept.

Zukunftsfähig aufgestellt

Heute wird in Auer mit einem horizontalen 5-Achs-BAZ HF 5500 von Heller gefertigt, das über einen Rundspeicher samt Palettenautomation und Roboterzelle von STS mit Werkstücken versorgt wird. Die 6-Seiten-Bearbeitung der Bauteile wird über die Werkstückspannung mittels R-C2-Automation von Gressel sichergestellt. Die Entscheidung Falsers für diese hochautomatisierte Anlage ist nichts Geringeres als außergewöhnlich für ein Unternehmen seiner Größe. „Ich sehe dies aber nicht als rein kalkulatorische Entscheidung. Ich will in die Zukunft investieren“, begründet der Geschäftsführer. „Natürlich darf das Risiko nicht zu hoch sein, aber ein gewisses Risiko gehe ich schon ein.“ Zumal er stets auf die Unterstützung, Beratung und den Service der drei Projektpartner bauen konnte.

Bei der Fertigung wird das Rohmaterial aktuell auf zwei Wagen bereitgestellt, die je nach Teilegröße jeweils 20 bis 40 Teile aufnehmen können. Nachdem sich der Roboter, ausgerüstet mit dem R-C2-Spannmodul von Gressel, ein Spannmittel aus dem Greiferbahnhof geholt hat, fährt er zu einem der Wagen, greift mit definierter Spannkraft ein Bauteil und bringt es auf das Nullpunktspannsystem in die Maschine. Während jetzt die 5-Achs-Bearbeitung erfolgt, wird in der Übergabestation für das Werkstück ein zweiter Schraubstock für die 6-Seiten-Operation vorbereitet. Ist die Bearbeitung in der ersten Spannung OP10 abgeschlossen, holt der Roboter den Schraubstock aus der Maschine und fährt ihn nach Reinigung in die Übergabestation. Hier übergibt er das Bauteil an den zweiten Schraubstock, von dem es erneut mit definierter Spannkraft gespannt wird, und bringt ihn in die Maschine. Ist die sechste Seite in OP20 bearbeitet, fährt der Roboter das Bauteil hinaus und legt es mit dem Schraubstock wieder auf die Ablagewagen. „Wir spannen immer zwei Teile für die 5-Achs-Bearbeitung und zwei für die sechste Seite auf“, konkretisiert Falser. „Am Ende produzieren wir so ausschließlich fertige Teile.“ Die Steuerung des Rundspeichers, das „Cell-Management“, agiert dabei als Master für die gesamte Anlage.

Mit horizontalem Konzept Bearbeitung neu denken

„Mit der HF 5500 und ihrer horizontalen Bauweise denken wir heute eine ganz neue Art der Bearbeitung“, stellt Falser heraus. „Dabei haben wir die Bauweise nicht nur wegen des Spänefalls gewählt, mit dem sich der Span besser kontrollieren lässt, wir können auch längere Werkzeuge einsetzen als in einer Vertikalmaschine.“ Außerdem verschleißt das Werkzeug durch die geringeren Vibrationen weniger, die Standzeiten sind länger und die Kosten sinken. Darüber hinaus bietet das horizontale Konzept gute Zugänglichkeit bei der Palettenautomation. „Nicht zuletzt können wir aufgrund dieser Zugänglichkeit auch schnell Einzelteile fertigen. Wir sind also in mehrfacher Hinsicht flexibel, unkompliziert und schnell“, betont Falser. Für kurze Span-zu-Span-Zeiten sorgen hierbei der schnelle Werkzeugwechsler in Verbindung mit einem Kettenmagazin für maximal 160 Werkzeuge und die hohen Achsgeschwindigkeiten der HF 5500 im Ausstattungspaket „Pro“. „Die Spindel mit HSK-A 63 bietet bei 16.000 min-1 eine Leistung von 56 kW und ein Drehmoment von 180 Nm“, berichtet Erich Stolz, Gebietsvertriebsleiter von Heller für Österreich und Südtirol. „Verbaut ist in der HF 5500 zudem ein NC-Schwenkrundtisch mit Gegenlager und AB-Kinematik mit hochdynamischen Torqueantrieben. Die fünfte Achse liegt im Werkstück, die Z-Achse verfügt über einen Gantry-Antrieb.“ Schließlich ist das Hauptbediengerät als Pult mit 24“-Multitouch-Bildschirm und „Heller Operation Interface“ ausgeführt. „Diese technischen Merkmale der Maschine sind aber nur das eine“, betont Stolz. „Ebenso wichtig ist der Service. Heller beschäftigt etwa 2.600 Mitarbeiter, von denen über 500 im Service arbeiten. Sie sind vor Ort tätig, aber auch in der Hotline, Dokumentation, dem Retrofit und der Ersatzteilabwicklung. Dass die Servicestützpunkte sehr nah am Kunden sind, zeigt sich an Verona, das keine zwei Stunden von Auer entfernt ist.“

17 Speicherplätze für lange Laufzeiten

Die Rundspeicher- und Roboterautomation von STS, einem Unternehmen der Heller Gruppe, arbeitet mit 17 Speicherplätzen für Paletten, sodass sich lange Laufzeiten realisieren lassen. „Der Speicher schränkt die Leistung der Maschine bezüglich Gewicht und Störkontur in keiner Weise ein“, unterstreicht Marcus Genkinger, Geschäftsführer von STS. „Es kann also das aufgespannt werden, was die Maschine bewältigt.“ Bestückt wird der Rundspeicher über zwei integrierte Ladestationen, die das hauptzeitparallele Rüsten ermöglichen. Damit Falser flexibel agieren kann, sind dies eine Station für manuelles Rüsten und ein automatisierter Rüstplatz, wo die Roboterzelle mit bis zu 800 kg beladen werden kann. „Bei unserer Speicherautomation handelt es sich nicht um eine spezifische Lösung. Als standardisiertes System mit Variationsmöglichkeiten kann sie für Maschinen unterschiedlicher Hersteller skaliert werden“, ordnet Genkinger ein. „Das gilt für den Rundspeicher, aber mehr noch für die Roboterzelle. Insgesamt sind wir also in der Maschinenanbindung sehr flexibel.“ Darüber hinaus beschreibt er den Rundspeicher als wartungsarm und langlebig.

Mannlose Sechs-Seiten-Bearbeitung

Über die Roboterbeladung setzt Falser die R-C2-Automation von Gressel für die Werkstückspannung ein. Das gibt ihm die Möglichkeit, sehr unterschiedliche Teile zu automatisieren. Dazu sind keine gesonderten Programmierkenntnisse erforderlich, er richtet einzig die Dimension eines neuen Teils in der Bediensoftware ein. „Dies dauert in der Regel 15 bis 30 min“, bestätigt Falser. Um den Arbeitsraum der HF 5500 möglichst effizient zu nutzen, wurde eine Spannvorrichtung konzipiert, auf der sich vier Spanner anlegen lassen. Für die erste Aufspannung wird über eine 45°-Stellung gute Zugänglichkeit erreicht, bei der zweiten Aufspannung wird die sechste Seite horizontal bearbeitet. „Grundsätzlich können wir so vier Werkstücke auf einmal beladen“, beschreibt Andreas Brunhofer, Produktspezialist Automation bei Gressel. „Sobald die Stückzahlen steigen, lässt sich auch eine zweite oder dritte Vorrichtung einbringen. So kann zum Beispiel über das Wochenende autark aus dem Speicher heraus zerspant werden. Durch unsere Übergabestation wird dafür automatisch von OP10 auf OP20 übergeben, ohne dass ein Mitarbeiter etwas umspannen muss.“ Die Spannkräfte an dem elektrischen Schraubstock stellt das R-C2-Modul ein. Entscheidend ist außerdem, dass das Prägen der Teile nicht außerhalb der Anlage, sondern vom Roboter beim Greifen erfolgt. „Der Schraubstock verfügt über ein spezielle Spindellagerung, sodass er die nötige Kraft für das Prägen aufbringen kann“, erläutert dazu Brunhofer. Zugleich ließen sich mit dem R-C2-System auch unförmige Werkstücke automatisieren. Die Formbacken dafür kann der Anwender selbst erstellen. Indem Falser zwei Größen des 125er Schraubstocks einsetzt, lassen sich bei kubischen Teilen bislang alle gewünschten Dimensionen abdecken. Das spart das Vorhalten zig unterschiedlicher Schraubstöcke.

„Heute kommen die Teile perfekt aus der Maschine“

Die Ergebnisse, die Falser Maschinenbau mit der Fertigungszelle auf die Straße gebracht hat, sprechen für sich. Nicht nur, dass das Rüsten heute viel schneller geht, auch die Durchlaufzeiten wurden verkürzt, sodass der Betrieb schneller liefern kann. „Außerdem erzeugen wir sofort höhere Qualität. Die Toleranzen haben wir zwar auch früher eingehalten, wir mussten aber ab und an nachfertigen. Heute kommen die Teile perfekt aus der Maschine. Auch die Zahl der Probe- und Ausschussteile sank deutlich. Wir haben also einen Qualitätssprung hingelegt. Und während an der Fertigung mancher Teile früher fünf oder sechs Mitarbeiter beteiligt waren, ist es heute einer.“ „Drei“ muss man mit Blick in die Zukunft wohl sagen, denn mit der neuen Anlage ist nun auch wieder der Dreischichtbetrieb geplant.

„In drei, vier Jahren wollen wir soweit sein, unseren Kunden komplette Bausätze ihrer Maschinen zu liefern“, schaut Falser nach vorn. „Damit treten wir als Komplettdienstleister im Maschinenbau auf und haben die gesamte Wertschöpfung im Haus. Der Kunde profitiert von unserer Qualitätsgarantie, spart sich die Logistik sowie die Arbeitskräfte und steigert seinen Umsatz. Für diese Kunden, die in Südtirol, der Schweiz und Deutschland beheimatet sind, haben wir uns mit einer mutigen Entscheidung wettbewerbsfähig aufgestellt.“ ak

Passend zu diesem Artikel